Die hohen Abwanderungszahlen von Familien ins Umland wie noch zu Anfang dieses Jahrzehnts dürften in den kommenden Jahren nicht wieder erreicht werden.
Das liegt vor allem daran, dass die Eigentumsbildung angesichts unsicherer Zukunftsperspektiven und einer ungünstigen Zins-Preis-Relation zurückhaltend ist. Damit werden die Zuwachsraten des Umlandes in Zukunft sinken.
Seit Jahrzehnten verlassen Familien die Städte und ziehen ins Umland. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, in erster Linie treiben hohe Immobilienpreise und der Wunsch nach mehr Platz, Garten, Sicherheit und Natur diese Gruppe aus der Stadt. Aber auch die Chance, Wohneigentum zu bilden, ist ein wichtiges Motiv.
Diese Entwicklung war jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt gleich, sondern weist in einzelnen Phasen eine unterschiedliche Intensität auf:
Besonders stark war der Trend zur Umlandwanderung in Westdeutschland schon seit den 1980ern, in Ostdeutschland setzte er nach 1990 ein. In Ballungsräumen wie München, Hamburg oder Frankfurt wuchs der Bevölkerungssaldo im Umland deutlich stärker als in den Kernstädten.
Abgeschwächt hat sich diese Entwicklung im Zeitraum von 2001-2010, als es vielerorts ein "Stay in the City" gab: die Zahl der jungen Familien, die die Städte verließen, um ins grüne Umland zu ziehen, ging zurück. Gründe dafür waren u.a. die gestiegene Lebensqualität in den Innenstädten, vor allem aber kürzere Wege zur Arbeit und zur Kinderbetreuung. So konnten auch Frauen besser einer Beschäftigung nachgehen als im Umland. Allerdings haben auch in dieser Periode immer noch mehr Familien die Städte verlassen als dort hingezogen sind.
Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft
Seit etwa 2010 hat die Umlandwanderung von Familien wieder deutlich zugenommen. Hierzu dürfte auch beigetragen haben, dass der Wunsch nach den eigenen vier Wänden - insbesondere im Eigenheim - sich in den Städten immer schwieriger realisieren lässt. Denn zu diesem Zeitpunkt begannen die Immobilienpreise und die Wohnungsmieten sehr stark zu steigen. Hiervon sind die dynamischen Großstädte und Ballungsräume besonders betroffen.
Entwicklung der Immobilienpreise
Quelle: oekologisch-bauen.info, Europace
Die Umlandwanderung wurde noch einmal befördert durch die Corona-Pandemie. Durch die Arbeit im Homeoffice werden viele Berufe ortsunabhängiger und es wird besser möglich, auch weit entfernt vom Arbeitsplatz zu wohnen. Als Folge war 2021 der Binnenwanderungssaldo der deutschen Großstädte so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr. Im Vergleich zu 2019 zogen vor allem 30- bis 49-Jährige (plus 3,7 Prozent) sowie Minderjährige (plus 8,9 Prozent) - also vor allem Familien - aus den Großstädten weg.
Quelle: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung
Die verstärkten Umlandwanderungen der letzten Jahre führten aber auch dazu, dass die Immobilienpreise im Umland stark gestiegen sind. Dieses gilt insbesondere für das nähere Umland, den "Speckgürtel", der verkehrstechnisch noch gut angebunden ist. In der Folge können nennenswerte Preisvorteile beim Immobilienerwerb oft nur noch dann erzielt werden, wenn man (noch) weiter aus der Stadt fortzieht. In diesen eher ländlichen Regionen sind dann aber zum Beispiel die Verkehrsanbindung in die Städte deutlich schlechter und die Mobilitätskosten höher. So zeigte bereits 2014 eine Studie, dass in Hamburg für Pkw-Pendler schon ab 30 km Entfernung die höheren Mobilitätskosten die günstigeren Immobilienkosten übersteigen - ganz abgesehen vom zusätzlichen Zeitaufwand für das Pendeln.
So ist es nicht verwunderlich, dass seit etwa 2-3 Jahren die wohnungsmarktbedingten Wanderungen von Familien ins Umland mit einem Minus von rd. 25 % wieder deutlich zurückgehen. Hierzu trägt auch das reduzierte Neubauangebot bei: so wurden 2024 22,1 % weniger Einfamilienhäuser und sogar 26,2 % weniger Zweifamilienhäuser fertiggestellt als noch 2023. Aber auch die Reduzierung des Homeoffice dürfte hier eine Rolle spielen.
Diese Entwicklung führt dazu, dass die stark angespannten Wohnungsmärkte in den dynamischen Metropolen und Ballungsräume weniger entlastet werden. Vielmehr verbleiben mehr Familien in der Stadt und verstärken dadurch die "Erstarrung" der dortigen Wohnungsmärkte.
Eine Veränderung dieser Situation ist erst einmal nicht zu erwarten, viele Familien werden ihren Wunsch nach Wohneigentum im Umland zunächst zurückstellen müssen. Mehr Wanderungen ins Umland sind dann wieder zu erwarten, wenn das Angebot insbesondere an Eigenheimen dort wieder steigen wird. Die aktuellen Baugenehmigungszahlen deuten darauf hin, dass wieder mehr Eigenheime gebaut werden. So sind die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser 2025 (Januar bis August) um gut 15 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen - dieses könnten erste Signale sein. Auch das Angebot an gebrauchten Objekten dürfte in Zukunft steigen, weil im Umland aufgrund der demographischen Entwicklung vielerorts ein "Generationswechsel" stattfindet. Allerdings dürfte bei vielen Gebrauchtobjekten der Modernisierungsbedarf so hoch sein, dass sie kaum Käufer finden werden.
Die hohen Abwanderungszahlen von Familien ins Umland, wie noch zu Anfang dieses Jahrzehnts, dürften daher in den kommenden Jahren nicht wieder erreicht werden.