Sieben aktuelle Trends im Wohnungsmarkt

Sieben aktuelle Trends im Wohnungsmarkt
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Die Arbeit im Homeoffice verlagert viele Aktivitäten weg von den Bürostandorten hin in die Wohnbereiche. Neue Formen des Arbeitens, wie das mobile Arbeiten, werden sich ebenso auf die Wohnungsnachfrage auswirken, wie auf die Anforderungen an Büroflächen. Darüber hinaus wird die Pandemie wirtschaftliche Spuren hinterlassen, die vor allem im Bereich der Gewerbeimmobilien spürbar sind, aber auch in Teilen des Wohnungsmarktes.  

Die Corona-Pandemie hat das gesellschaftliche Leben im Laufe des Jahres nachhaltig verändert. Sie hat dazu geführt, dass zahlreiche etablierte Gewohnheiten infrage gestellt wurden, sich Entwicklungen beschleunigt und Werte verändert haben. Noch ist aber nicht abzusehen, ob die Veränderungen längerfristig Bestand haben und zu stabilen Trends werden oder ob doch wieder eine Rückkehr zu bisherigen gesellschaftlichen Mustern stattfinden wird. Auch im Hinblick auf das Wohnen und die Stadtentwicklung gibt es gegenwärtig Entwicklungen, die zu weitreichenden Veränderungen führen können. Die folgenden sieben Trends sind von Bettina Harms und Matthias Klupp, Geschäftsführer und Gründer von QUIS, zusammengefasst und gehen der Frage nach, welche Veränderungen im Hinblick auf Wohnen und Stadtentwicklung messbar sind und welche Trends abzuleiten sind. 

Trend 1: Die Nachfrage nach Wohnungen bleibt unverändert hoch

Die quantitative Nachfrage nach Wohnraum bleibt unverändert hoch, denn es gibt keine Auswirkungen der Pandemie auf die bestehenden Haushaltszahlen. Allerdings ist die Zuwanderung nach Deutschland im 1. Halbjahr 2020 sehr deutlich zurückgegangen. Während die Netto-Zuwanderung im 1. Halbjahr 2019 noch bei 167.000 Personen lag, waren es in diesem Jahr nur noch 74.000 Personen. Dadurch reduziert sich aber nur die aktuelle wanderungsbedingte zusätzliche Nachfrage nach Wohnungen. Es ist aber davon auszugehen, dass sich die Zuwanderung nach Deutschland nach Corona zügig wieder auf einem hohen Niveau einpendeln wird. Dafür spricht, dass sich die Wirtschaft in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit schneller erholen wird als in den Nachbarländern. Hinzu kommt, dass der Arbeitskräftemangel hier weiterhin ein Thema sein wird.  

Die Ungleichheit auf den regionalen Wohnungsmärkten wird auch in Zukunft dazu führen, dass es in den sehr dynamischen Regionen weiterhin zu Engpässen insbesondere im unteren und mittleren Marktsegment kommen wird. Insofern wird sich die Nachfrage nach Wohnungen durch Corona auch mittelfristig nicht grundsätzlich verändern. Darauf weist auch die Entwicklung der Vermarktungsdauer für Mietwohnungen hin. Sie ist seit Ende 2019 kontinuierlich zurückgegangen und liegt derzeit bei etwa 20 Tagen.

Vermarktungsdauer von Mietwohnungen in Deutschland und Stadt Kassel

Einen erheblichen Einfluss auf die Wohnungsnachfrage können die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie haben. Wie groß die Effekte sein werden, ist derzeit aber noch nicht sicher absehbar. Denn negative ökonomische Folgen für die Haushalte werden sich erst mit einer gewissen Verzögerung auf den Wohnungsmärkten zeigen. Derzeit lassen sich, etwa bei Mietausfällen, noch keine negativen Effekte beobachten. Die coronabedingte Zunahme bei Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sowie die unsicherer gewordenen beruflichen Perspektiven vieler Haushalte werden sich aber im kommenden Jahr 2021 deutlicher bemerkbar machen - auch wenn die Wirtschaft wieder anziehen sollte. 

Trend 2: Teure Neubauten können zu Verlierern werden 

Viele Wohnungswechsel werden derzeit aufgrund unsicherer Einkommensperspektiven, aber auch aufgrund fehlender Angebote, zurückgestellt. Dadurch wird die Nachfrage etwas gedämpft, wenngleich die vielerorts bestehenden grundsätzlichen Nachfrageüberhänge weiterhin bestehen bleiben. Hinzu kommt, dass sich auch Haushalte mit überdurchschnittlichen Einkommen vorsichtig verhalten: Es werden kleinere beziehungsweise günstigere Wohnungen als ursprünglich vorgesehen angemietet. In den hochpreisigen Segmenten sind aber Nachfragerückgänge und sinkende Neuvertragsmieten sehr wahrscheinlich. Angst vor Arbeitsplatzverlust und ein vorsichtigeres Verhalten werden die bisher sehr gute Zahlungsbereitschaft begrenzen. Dadurch kann sich aber der Nachfragedruck auf die mittelpreisigen Segmente sogar noch erhöhen. Vor diesem Hintergrund wird dem Wohnungsneubau, insbesondere im geförderten und mittelpreisigen Bereich, weiterhin eine hervorgehobene Bedeutung zukommen.  

Trend 3: Preise und Mieten entwickeln sich weiter auseinander 

Mit anhaltender Nachfrage und in Ermangelung attraktiver Anlage-Alternativen wird der Wohnungsmarkt für Kapitalanleger weiterhin eine hohe Bedeutung haben. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass das niedrige Zinsniveau in den kommenden Jahren bestehen bleiben wird. Eine insbesondere in den hochpreisigen Segmenten moderate Mietentwicklung steht damit immer häufiger Kaufpreisen gegenüber, die in der Spitze um mehr als das 50-fache über der Jahresmiete liegen.  

So erreicht etwa der Kaufpreisfaktor (Vervielfältiger) in Berlin am Prenzlauer Berg und in Friedrichshain aktuell einen Wert von 68 Jahren. In Hamburg werden im Stadtteil Uhlenhorst Werte von 53 Jahren erzielt und auch in Essen liegt der Kaufpreisfaktor im Szeneviertel Rüttenscheid bei 52 Jahren. Dieser Wert gibt an, wie viele Jahre eine Wohnung vermietet werden muss, bis der Kaufpreis wieder eingespielt ist.  In der Folge wird es für Kapitalanleger immer schwieriger bzw. aufwändiger werden, mit der Vermietung auf auskömmliche Renditen zu kommen. Dieses gilt insbesondere für die dynamischen Zentren und Ballungsräume.

Die Verteilung des Kaufpreisfaktor für Bestandswohnungen im BundeslandvergleichAllerdings zeigt sich der Markt in den meisten Bundesländern sehr heterogen, so dass vielfach auch gute wirtschaftliche Investitionsmöglichkeiten bestehen. Deshalb kann der Kaufpreisfaktor wichtige Hinweise geben, wie attraktiv eine Investition an einem Standort ist. QUIS liefert einen monatlich aktualisierten Kaufpreisfaktor sowohl für Neubau- als auch Bestandsimmobilien. Dieser Indikator wird auf der Ebene der Postleitzahlgebiete ausgewiesen und bietet daher eine große Sicherheit bei der ersten Beurteilung von Investitionschancen. 

Trend 4: Die Eigentümerquote wird sich weiter rückläufig entwickeln 

Auf den ersten Blick ist es überzeugend: mehr Homeoffice, mehr räumliche Unabhängigkeit und der Wunsch, im Grünen zu leben, könnten auch zu mehr Wohnen im selbstgenutzten Wohneigentum führen. Dagegen sprechen aber die Fakten. Nicht nur, dass die Alterskohorte der Menschen im "Häuslebauer-Alter" von 30-45 Jahren, also die typischen Eigentumsbildner, weiter schrumpft. Gleichzeitig steigen die Immobilienpreise für Wohneigentum weiter an. Darüber hinaus werden durch die Corona-Pandemie in nennenswertem Umfang Haushalte Probleme mit dem Kapitaldienst für ihr Wohneigentum bekommen; dieser Effekt wird erst mit einem Zeitverzug im kommenden Jahr zutage treten, dann aber generell zu noch mehr Vorsicht bei der Eigentumsbildung führen. Hinzu kommt, dass es für die Haushalte immer schwieriger wird, das notwendige Eigenkapital anzusparen - und die Banken, gerade auch aufgrund der durch Corona induzierten gesamtwirtschaftlichen Probleme, sich tendenziell restriktiver bei der Kreditvergabe verhalten werden. Zu erwarten ist daher auch, dass das bis 2021 verlängerte Baukindergeld zwar zu Mitnahmeeffekten führen, aber keine relevante Erhöhung des Eigentümeranteils mit sich bringen wird. 

Trend 5: Homeoffice wird normal - aber nicht die Regel 

Seit März 2020 ist in Deutschland der Anteil der erwerbstätigen Mieter, die im Homeoffice gearbeitet haben, von 5 % auf 41 % angestiegen. Diese Größenordnung zeigt, was grundsätzlich möglich ist. Bereits jetzt lässt sich sagen, dass auch in der Zeit nach Corona das Homeoffice zum festen Bestandteil der Arbeit werden wird. Auch auf Seite der Unternehmen hat sich durch Corona die Einstellung zum Homeoffice weitgehend verändert und es zeichnet sich bereits jetzt deutlich ab, dass diese Arbeitsform sich zukünftig fest etablieren wird.  

Befragung: Arbeiten Sie aufgrund der Pandemie von zu Hause aus?

Befragung zum Homeoffice während der Corona-Pandemie(N=559) Quelle: Servicemonitor Wohnen, Analyse & Konzepte immo.consult 2020

Für etwa jeden zweiten Mieterhaushalt kommt das Homeoffice infrage. Die Arbeit dort - zumindest an 2-3 Tagen pro Woche - wird in Zukunft normal werden. Damit steigen aber auch gleichzeitig die Anforderungen an die Rahmenbedingungen. Dieses gilt in Bezug auf die technische Ausstattung (v.a. Stabilität und Geschwindigkeit der Internetanbindung), aber auch die Qualität der Arbeitsbedingungen zu Hause. Ein schlechter Empfang, die Katze vor dem Bildschirm und der Küchentisch als temporärer Arbeitsplatz werden in Zukunft nicht mehr akzeptiert werden. Damit erhält der separate Arbeitsplatz in der Wohnung, möglichst sogar ein abgeschlossener Raum, zukünftig eine hervorgehobene Bedeutung für viele Haushalte.

Bei der Wohnungssuche wird die Möglichkeit, einen gesonderten Arbeitsbereich zu haben, besonders attraktiv werden. Das Arbeitszimmer ist zurück.  Diese Entwicklung wird auch Folgen für die Grundrissplanung zukünftiger Wohnungen haben. So könnten etwa Wohnräume zugunsten von abgeteilten Arbeitsplätzen verkleinert werden oder es wird ein zusätzlicher Arbeitsraum vorgesehen. Da viele Haushalte in ihrer Wohnung keinen "richtigen" Arbeitsplatz werden einrichten können, bieten wohnungsnahe Coworking Spaces gute Möglichkeiten. Temporär anmietbare Arbeitsplätze in unmittelbarer Nähe zur Wohnung mit Internet-Anbindung und gemeinschaftlicher Teeküche können diese Lücke füllen. Die Schaffung solcher Räume in den Wohnanlagen kann auch für Wohnungsunternehmen eine gute Option sein. 

Trend 6: Büros werden smarter, agiler und kleiner 

Bereits vor der Corona-Epidemie haben sich die Anforderungen an Büroflächen verändert. Der Trend geht in Richtung einer Reduzierung der Fläche pro Mitarbeiter, weniger Individualfläche, mehr Platz für Meetings und agile Projekte. Hat der Lockdown einerseits gezeigt, wie gut auch das dezentrale Arbeiten funktioniert, wurden gleichzeitig auch die Schattenseiten sichtbar. Teamentwicklung, der Aufbau persönlicher Beziehungen oder auch kreative Prozesse werden stärker gefördert, wenn die Mitarbeiter sich sehen und Face-to-Face miteinander kommunizieren können. Auch zukünftig werden deshalb Büros die räumlichen Identifikationspunkte von Unternehmen bilden, insbesondere für Meetings, Workshops und andere Formen der direkten Zusammenarbeit. Allerdings werden sie deutlich weniger Fläche beanspruchen und anders gestaltet sein - das herkömmliche Büro wird einen deutlichen Bedeutungsverlust erfahren. 

Diese Entwicklungen sowie der wirtschaftlichere Umgang mit teuren Büroflächen werden dazu führen, dass in Zukunft insgesamt weniger Bürofläche benötigt wird. Gerade bei Büros in gut erschlossenen innerstädtischen Lagen liegt die Überlegung nahe, diese doch dann in Wohnungen umzunutzen. Wie bisherige Modellprojekte gezeigt haben, darf der technische und kostenmäßige Aufwand dabei aber nicht unterschätzt werden. Schließlich sind die technischen Anforderungen von Büros und Wohnungen sehr unterschiedlich. Nur sehr attraktive Gebäude oder solche, bei denen ein Neubau nicht mit der gleichen Nutzungsfläche genehmigt würde, kommen für einen Umbau in Wohnungen infrage. Eine Umwidmung von Gewerbe- in Wohnflächen wird gerade bei attraktiven Lagen eine gute Lösung darstellen, um mehr Flächen für den innerstädtischen Neubau von Wohnungen zu schaffen. 

Trend 7: Das Umland der großen Städte wird profitieren

Digitale, ortsunabhängige Arbeit kann ganz andere Orte des Wohnens in den Fokus rücken. Arbeiten, wo andere Urlaub machen, oder weit entfernt von der Großstadt in ländlicher Idylle ist plötzlich in greifbare Nähe gerückt, wenn der Arbeitsweg nur noch ein oder zwei Mal in der Woche angetreten werden muss. Von den deutlich geringeren Wohnkosten ganz zu schweigen. Doch eine solche Entwicklung, die derzeit in Medienberichten schon als smarter Zukunftstrend mit gravierenden Auswirkungen auf Wohnungsmärkte, Raumentwicklung und Mobilität betrachtet wird, ist keineswegs ausgemacht. Denn auch, wenn einzelne Haushalte bereits jetzt den Schritt aus der Stadt wagen, kann daraus noch nicht auf eine breite zukünftige Bewegung geschlossen werden. 

Eine grundlegende Bedingung ist, dass eine gute digitale Infrastruktur besteht. Dies stellt aber heute noch ein großes Problem dar, denn in Deutschland ist die digitale Erschließung der ländlichen Räume noch sehr schlecht im Vergleich etwa zu den Nachbarländern. Hinzu kommt, dass es nicht nur die Nähe zum Arbeitsplatz ist, die das Wohnen in den großen Städten attraktiv macht. Denn im Hinblick auf Atmosphäre, Internationalität, Kultur, Freizeit oder auch medizinische Infrastruktur weisen die Städte große Vorteile auf. Gleichzeitig haben viele Menschen während der Corona-Zeit ihren Stadtteil besser kennengelernt. Attraktive Stadteile fungieren als Dorf in der Stadt, sie bieten von der Naherholung bis zum Treffpunkt alles, was auch der ländliche Raum bietet, verbunden mit den Vorteilen einer Stadt. 

Ein weiterer, auf keinen Fall zu vernachlässigender, Aspekt eines Fortzugs an einen weit entfernten Wohnort ist die soziale Einbindung der Haushalte in Nachbarschaften, Netzwerke und andere Gemeinschaften am Wohnort. Ein derartiger Fortzug bedeutet auch die Aufgabe eines wesentlichen Teils dieser sozialen Bezüge und die Anforderung, diese am neuen Wohnort neu aufzubauen. Von daher ist eine Abwanderung in den ländlichen Raum im größeren Stil nicht zu erwarten. Es wird sich aber die bereits bestehende Tendenz zu einem Fortzug ins nähere oder weitere Umland der großen Städte verstärken. Diese in den letzten Jahren stark wohnungsmarktbedingte Umlandwanderung erhält durch den Trend zu mehr Homeoffice einen zusätzlichen Schub. Daher werden sich die dort zu beobachtenden überdurchschnittlichen Anstiege der Mieten und Preise auch in Zukunft fortsetzen; allerdings haben die dort wohnenden Haushalte auch geringere Mobilitätskosten durch verstärkte Nutzung des Heimarbeitsplatzes.

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